23. Juni 2023 Thema: Aktuelles Von Sarah Ryglewski
Der Personal- und Fachkräftemangel zeigt sich bereits in vielen Bereichen und Branchen, viele Betriebe stehen schon jetzt vor großen Herausforderungen. Wenn wir unseren Wohlstand sichern und unsere sozialen Sicherungssysteme zukunftsfest machen wollen, brauchen wir viele und gut qualifizierte Fachkräfte. In dieser Woche haben wir im Bundestag zwei wichtige Vorhaben beschlossen, mit denen wir dem Fachkräftemangel begegnen wollen: Das Aus- und Weiterbildungsgesetz sowie die Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes.
Wir führen eine Ausbildungsgarantie ein und fördern Weiterbildung
Mit der Ausbildungsgarantie führen wir einen Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz ein. Wer keinen betrieblichen Ausbildungsplatz findet und in einer Region mit zu wenig Ausbildungsplätzen wohnt, hat Anspruch auf eine außerbetriebliche Ausbildung. Außerdem führen wir ein gefördertes Berufsorientierungspraktikum und einen Mobilitätszuschuss ein und erleichtern die Teilnahme an Einstiegsqualifizierungen.
Wir stärken zudem die Weiterbildung Beschäftigter, indem wir die bestehenden Weiterbildungsmöglichkeiten vereinfachen und weiterentwickeln. Das bedeutet: Wir führen feste Förderhöhen ein und öffnen die Weiterbildungsförderung grundsätzlich für alle Betriebe. Im parlamentarischen Verfahren haben wir die Komplexität weiter reduziert, indem wir die Einordnung der Betriebe in bestimmte Größenklassen (z.B. Klein- oder Mittelbetrieb) für die Förderung der Lehrgangskosten und Arbeitsentgelte vereinheitlicht haben.
Außerdem führen wir das Qualifizierungsgeld für Beschäftigte ein, denen durch den Strukturwandel der Verlust ihrer Arbeitsplätze droht, Weiterbildung jedoch eine zukunftssichere Beschäftigung im selben Unternehmen ermöglichen kann. Die Betriebe tragen die Weiterbildungskosten, die Beschäftigten erhalten das Qualifizierungsgeld als Lohnersatzleistung – das so hoch ist wie das Kurzarbeitergeld (60 Prozent des Nettoentgelts beziehungsweise 67 Prozent, wenn Kinder im Haushalt leben). Voraussetzung ist, dass 20 Prozent der Beschäftigten strukturwandelbedingten Qualifizierungsbedarf haben. Im parlamentarischen Verfahren konnten wir erreichen, dass künftig auch Beschäftigte, die eine Aufstiegsfortbildung zum Berufsspezialisten anstreben, das Qualifizierungsgeld erhalten. Diese Regelung gilt befristet bis 2028 und soll evaluiert werden.
Das Qualifizierungsgeld und die Reform der Weiterbildungsförderung treten zum 1. April 2024 in Kraft.
Wir wollen mehr internationale Fach- und Arbeitskräfte gewinnen
Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung schaffen wir eines der modernsten Einwanderungsgesetze weltweit und eröffnen Menschen aus Ländern außerhalb der Europäischen Union künftig wesentlich mehr Möglichkeiten, in Deutschland zu arbeiten. Die Erwerbseinwanderung soll künftig auf drei Säulen basieren: Qualifikation, Erfahrung und Potenzial:
Qualifikation: Wer einen in Deutschland anerkannten Abschluss hat, kann heute schon als Fachkraft kommen. Künftig können die Fachkräfte jede qualifizierte Beschäftigung in nicht-reglementierten Berufen wie Kraftfahrzeugmechatroniker:in oder Kaufmann/ Kauffrau für Büromanagement ausüben, unabhängig von ihrem Abschluss.
Erfahrung: Wer mindestens zwei Jahre Berufserfahrung, eine zweijährige berufliche Qualifikation und einen Verdienst über einer bestimmten Gehaltsschwelle oder die Geltung eines Tarifvertrages vorweisen kann, kann künftig einwandern. Der Abschluss muss also künftig nicht mehr formal in Deutschland anerkannt sein. Wer weiterhin eine Anerkennung des ausländischen Abschlusses benötigt, kann auch im Rahmen einer Anerkennungspartnerschaft mit dem Arbeitgeber bereits in Deutschland arbeiten, vor Ort Deutschkenntnisse vertiefen und parallel das berufliche Anerkennungsverfahren betreiben. Gleichzeitig stärken wir die Abschlüsse der Außenhandelskammern, die als notwendige berufliche Qualifikation im Sinne dieser Säule anerkannt werden können.
Potenzial: Es wird eine Chancenkarte eingeführt, die es auch Menschen ohne Arbeitsvertrag ermöglicht, nach Deutschland zu kommen. Sie basiert auf einem Punktesystem, bei dem unter anderem Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Voraufenthalte, Alter und mitziehende Partner:innen berücksichtigt werden. Die Chancenkarte erleichtert die Suche nach einem Arbeitsplatz deutlich und ermöglicht auch Probearbeiten und Nebentätigkeiten. Auch Bildungsmigration soll gestärkt werden, indem die Berufsausbildung und das Studieren in Deutschland noch attraktiver gemacht werden sollen.
Im parlamentarischen Verfahren haben wir sichergestellt, dass es kein Aufweichen der Tarifbindung und der sozialen Standards gibt, keine generelle Öffnung für Leiharbeit und kein Abweichen vom Grundsatz der Fachkräftedefinition.