19. Mai 2021 Thema: Aktuelles Von Sarah Ryglewski
Mit dem Gesetz zur Änderung der in das Geburtsregister einzutragenden Angaben und der Verbesserung der Situation intergeschlechtlicher Menschen konnte die SPD-Bundestagsfraktion Ende 2018 erste Verbesserungen für intergeschlechtliche Menschen erreichen. Im März 2021 haben wir das Gesetz zum Schutz von Kindern mit Varianten der Geschlechtsentwicklung verabschiedet und mit dem dort geregelten „OP-Verbot“ das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit gestärkt.
An diese beiden wichtigen Gesetze hätte ich gern mit einer Reform des Transsexuellengesetzes (TSG) angeknüpft. Das Gesetz sollte aus meiner Sicht in seiner bestehenden Form schlicht abgeschafft werden. Die SPD setzt sich bereits seit vielen Jahren dafür ein, hier völlig neue Regelungen zu finden.
Eine Reform macht aus meiner Sicht allerdings nur Sinn, wenn dabei das Prinzip der Anerkennung der Geschlechtsidentität und der Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung die Grundlagen sind. Eine Reform, die das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen in den Mittelpunkt stellt, war mit unserem Koalitionspartner in dieser Legislaturperiode leider nicht zu machen. Trotz intensiver Bemühungen und unzähligen Verhandlungsrunden. Die SPD-Bundestagsfraktion hat zusammen mit der Bundesjustizministerin und der Bundesfamilienministerin immer wieder Anläufe gestartet, um eine Reform zu erreichen, die diesen Namen auch verdient. Allerdings konnte weder mit CDU noch mit CSU ein auch nur annähernd tragbarer Kompromiss gefunden werden. In dieser Legislaturperiode konnten mehrere Entwürfe aufgrund des Widerstands unseres Koalitionspartners noch nicht einmal als Vorlage ins Kabinett gebracht werden. Daher haben wir uns im April dieses Jahres entschieden die Verhandlungen der Reform zum TSG zu beenden. Mein und unser Ziel ist eine Reform im Sinne der Betroffenen, nicht eine Reform um jeden Preis.
Im Mittelpunkt unserer Kritik stand unter anderem die Ausgestaltung der Beratung der Betroffenen als Ersatz für die bislang vorgesehenen psychologischen Gutachten. Während wir eine analog zur Schwangerschaftskonfliktberatung ergebnisoffene Konsultation für sinnvoll erachten, wollte die Union als Minimum eine Beratung, die durch die Einschaltung von Psychologen und Medizinern immer noch einen pathologisierenden Charakter hat. Diese Beratungsart lehnen wir klar ab. Transsexualität ist keine Krankheit! Daher bedarf es aus unserer Sicht für die personenstandsrechtliche Änderung keines medizinpsychologisch geschulten Personals. Sonst würde die bisherige Diskriminierung fortgesetzt und die Unterstellung einer Krankheit würde zementiert, statt abgeschafft.
Beide Entwürfe der Oppositionsfraktionen bilden wie ausgeführt eine gute Diskussionsgrundlage. Eine Zustimmung kommt bei beiden Entwürfen aber nicht nur wegen der Koalitionsvereinbarung sondern auch aus inhaltlichen bzw. systematischen Gründen nicht in Betracht. Aus meiner Sicht wären teilweise die Punkte im Detail anders zu regeln bzw. wurden sie teilweise auch schon in anderen Gesetzen geregelt. Um zwei Beispiele zu nennen:
Die Situation von trans*kindern und –jugendlichen ist besonders vulnerabel. Es geht grundsätz-lich beim TSG zunächst um Personenstandsänderungen – nicht um geschlechtsverändernden Operationen. Die Frage, wann aber welche irreversiblen Eingriffe unter welchen Rahmenbedin-gungen durch das Kind oder Jugendliche*n veranlasst werden können, bedarf besonderer Sen-sibilität. Ob diese Frage ausreichend durch die vorgeschlagenen Gesetzentwürfe abgebildet werden, ist zumindest fraglich. Eine Anhörung und Folgenabschätzung wäre mit der Annahme der GE nicht mehr möglich.
Für die SPD-Bundestagsfraktion steht fest, dass Grundlage einer Reform das Prinzip der Anerkennung der Geschlechtsidentität und der Schutz der Selbstbestimmung bei der Geschlechterzuordnung sein muss. Wir wollen die Lage von trans- und intergeschlechtlichen Menschen verbessern, das betrifft medizinische, gesundheitliche, soziale und rechtliche Aspekte. Verfahren müssen so gestaltet werden, dass die Würde und die Bedürfnisse der Betroffenen im Mittelpunkt stehen.
Wir haben zu den Entwürfen der Opposition November letzten Jahres eine Öffentliche Anhörung im Innenausschuss durchgeführt; diese hat unsere Auffassung bestätigt. Ein Gegeneinander-Ausspielen von verschiedenen Gruppen ist gefährlich. Menschenrechte gelten nicht nur aufgrund eines biologischen Geschlechts. Ein Konkurrenzverhältnis mit Frauenförder- und schutzmaßnahmen bei einem Selbstbestimmungsrecht für transgeschlechtliche Personen ist aus unserer Sicht klar zu verneinen. Ich möchte auf zwei Aussagen der von uns benannten Sachverständigen in der Anhörung Frau Prof. Lembke besonders hinweisen und mich zugleich anschließen:
Unser Gesetzentwurf und die beiden Entwürfe der Opposition sind eine gute Grundlage um dieses Thema – mit neuen Mehrheiten jenseits von CDU und CSU in der Regierung – in der nächsten Legislaturperiode erneut und im Sinne der Betroffenen anzugehen und zu einigen.