25. Juni 2021 Thema: Aktuelles Von Sarah Ryglewski
Der Deutsche Bundestag hat in dieser Woche umfangreiche Änderungen der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuchs abschließend beraten. Zukünftig wird die Wiederaufnahme von Strafverfahren zu Ungunsten des Verurteilten erleichtert, wenn neue Beweise vorliegen. Zudem stellen wir sog. Feindeslisten, verhetzende Beleidigung und Missbrauchsanleitungen unter Strafe und verschärfen die Regeln für Online-Plattformen.
Der Deutsche Bundestag hat in dieser Woche mehrere Änderungen der Strafprozessordnung und des Strafgesetzbuchs beschlossen. Mit den Regelungen verbessern wir die Rechtsdurchsetzung und schützen Menschen effektiver gegen Hass und Hetze im Internet.
Verfahren können zu Ungunsten des Verurteilten wieder aufgenommen werden
Trotz Freispruch sollen Strafverfahren künftig wieder aufgenommen werden können, wenn nachträglich neue wichtige Beweismittel bekannt werden. Die Wiederaufnahme zum Nachteil der/s Verurteilten ist in § 362 Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Danach sind neue Tatsachen und Beweismittel als allgemeiner Wiederaufnahmegrund nicht zugelassen. Dies führt zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass selbst bei schwersten Straftaten, wie Mord und Völkermord sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ein Verfahren nach Freispruch auch dann nicht wiederaufgenommen werden kann, wenn nachträglich Beweismittel einen eindeutigen Nachweis der Täterschaft erlauben würden. Künftig können beispielsweise Filmaufzeichnungen von der Tat oder nachträgliche DNA-Analysen, die auf Grund der fehlenden Technik zum vorherigen Zeitpunkt des Verfahrens nicht berücksichtigt werden konnten, solche Nachweise darstellen.
Feindeslisten, verhetzende Beleidigung und Missbrauchsanleitungen
Um Menschen besser vor Hass und Hetze zu schützen, wird die Verbreitung von sog. Feindeslisten künftig bestraft. Feindeslisten, wie sie vor allem in rechtsextremen Kreisen kursieren, sind Sammlungen von personenbezogenen Daten, die bei anderen die Bereitschaft wecken sollen, Straftaten gegen die betroffenen Personen zu begehen. Damit setzt die Bundesregierung eine weitere Maßnahme um, die der Kabinettausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus beschlossen hat.
Durch einen neuen Straftatbestand (künftig § 126a des Strafgesetzbuchs) wird die Verbreitung von Feindeslisten mit nicht allgemein zugänglichen Daten unter Strafe gestellt, wenn dadurch Personen in Gefahr geraten oder eingeschüchtert werden. Journalistische Berichterstattung, die Personen namentlich nennt, sowie Recherchearbeit von Vereinen, die der Aufdeckung extremistischer Strukturen dient, sind ausdrücklich nicht erfasst.
Darüber hinaus schließen wir eine Lücke im Strafrecht, indem wir die verhetzende Beleidigung von Juden, Muslimen, von Menschen mit Behinderung oder Homosexuellen zur Straftat heraufstufen. Künftig werden verhetzende Beleidigungen mit Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren geahndet. Außerdem regelt der Gesetzentwurf, dass sog. „Missbrauchsanleitungen“ künftig strafrechtlich besser erfasst werden – gerade, weil in den letzten Jahren die Zahl der registrierten Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs gestiegen ist. Im Internet (vor allem im sog. Darknet) sind Anleitungen abrufbar, die beschreiben, wie sexueller Missbrauch von Kindern vorbereitet, ermöglicht, durchgeführt oder verschleiert werden kann. Solche „Missbrauchsanleitungen“ werden nicht selten bei Beschuldigten aufgefunden, die des sexuellen Missbrauchs verdächtigt werden. Wer Anleitungen zum sexuellen Missbrauch von Kindern verbreitet oder abruft, macht sich künftig strafbar. Künftig soll das Verbreiten und Zugänglichmachen solcher Anleitungen mit Gefängnis bis zu drei Jahren oder Geldstrafe sanktioniert werden. Wer die Anleitung abruft oder besitzt, soll bis zu zwei Jahre Gefängnis oder eine Geldstrafe erhalten.
Darüber hinaus ergänzen wir im Strafgesetzbuch die Regelungen zur Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen um das Merkmal „terroristische Organisationen“. Konkret soll es möglich sein, das Verbreiten von Propagandamitteln und das Verwenden z.B. von Fahnen unter Strafe zu stellen, wenn die entsprechenden terroristischen Organisationen auf der EU-Terrorsanktionsliste stehen. Bislang war dies nur möglich, wenn gegen die fraglichen Organisationen in Deutschland ein Vereinsverbot besteht.
Konsequente Strafverfolgung im digitalen Raum
Wir schaffen einen neuen Straftatbestand: Wer eine Handelsplattform im Internet betreibt oder entsprechende Server-Infrastrukturen bereitstellt, die rechtswidrige Taten ermöglichen, soll mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden können. Mit der neuen Strafvorschrift sagt die Regierung dem illegalen Internethandel den Kampf an. Wenn auf kriminellen Plattformen Geschäfte gemacht werden mit Bildern von sexualisierter Gewalt gegen Kinder, oder Drogen, Waffen oder gestohlene Daten verkauft werden, soll sich niemand mehr herausreden können, er habe nur die Plattform bereitgestellt und nichts gewusst. Ziel ist eine effektive und konsequente Strafverfolgung im digitalen Raum.