22. Oktober 2020 Thema: Aktuelles Von Sarah Ryglewski
Angesichts der vielen neuen und schnell zu bewältigenden Aufgaben im Zuge der Corona-Krise haben der Bund und fast alle Länder für das Jahr 2020 den Ausnahmetatbestand der Schuldenbremse geltend gemacht und ihre Kreditaufnahme deutlich ausgeweitet.
Die Bekämpfung der COVID-19-Pandemie stellt die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen vor erhebliche Herausforderungen. Die Steuereinnahmen sinken zum Teil durch Gewinneinbußen, Umsatzrückgang, Kurzarbeit sowie großzügiger Regelungen zu Steuerstundungen und Verlustrückträgen in diesem Jahr erheblich. Gleichzeitig nimmt der Staat erhebliche Finanzmittel in die Hand, um die Unternehmen zu stützen. Der Umfang der haushaltswirksamen Maßnahmen beträgt in diesem Jahr insgesamt 353,3 Milliarden Euro und der Umfang der Garantien insgesamt 819,7 Milliarden Euro. Zur Finanzierung hat der Bund neue Kredite in Höhe von rund 156 Milliarden Euro aufgenommen.
Gleichzeitig müssen die öffentlichen Haushalte durch gezielte Investitionen die Grundlage für zukünftiges Wachstum schaffen. Gegen die Krise anzusparen, wäre der falsche Weg. Angesichts der vielen neuen und schnell zu bewältigenden Aufgaben haben der Bund und fast alle Länder für das Jahr 2020 den Ausnahmetatbestand der Schuldenbremse geltend gemacht. Der Bremer Senat hat dazu ein rechtswissenschaftliches Gutachten bei Prof. Dr. Stefan Korioth (LMU München) in Auftrag gegeben, um die Verfassungskonformität der aktuellen Haushaltspolitiken zu bewerten.
Anlässlich der Vorstellung des Gutachtens und zur Diskussion der Frage, wie es um die Schuldenbremse im Angesicht der Corona-Krise steht, habe ich am 22. Oktober auf Einladung von Dietmar Strehl, Senator für Finanzen der Freien Hansestadt Bremen (Bündnis 90/Die Grünen), in der Bremer Landesvertretung gemeinsam mit Prof. Korioth und Klaus-Dieter Gröhler, MdB (CDU) über die politischen Spielräume gesprochen, die uns die Ausnahmeregelungen der Schuldenbremse ermöglichen.
Das Ergebnis der Studie lautet verkürzt: Verfassungsrechtlich steht die Politik der Bundesregierung auf festem Grund. Denn entgegen einiger Äußerungen, die Schuldenbremse sei im Angesicht von Corona ausgesetzt worden, wird vielmehr deren Ausnahmeregelungen angewendet. Die Schuldenbremse sieht vor, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen sind. Diese Regelung ist in Artikel 109 Grundgesetz verankert. Zusätzlich gilt die Ausnahmeregelung, dass im Falle von Naturkatastrophen oder anderer außergewöhnlicher Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, die Handlungsfähigkeit des Bundes zur Krisenbewältigung gesichert sein muss. Die Schuldenbremse erlaubt daher eine Verschuldung über die im Grundgesetz definierten 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hinaus. Verfassungsrechtlich bewertet werden muss dabei Frage, ob die Politik den Spielraum, der ihr bei der Überschreitung der Schuldengrenze zur Verfügung steht, angemessen ausnutzt, und ob sie die damit zu finanzierenden Maßnahmen passend begründet.
Die aktuelle Haushaltspolitik von Bund und Ländern beruht auf der Überzeugung, dass Deutschlands Stärke durch die Krise nicht grundsätzlich beeinträchtigt ist, sondern, dass wir diese außergewöhnliche Notlage durch gezielte Investitionen und Hilfen überstehen werden. Die Maßnahmen müssen dabei schnell, wirksam, zielgenau, begrenzt, und transformativ sein. Das sind unsere Grundsätze für Investitionen. Neben der Begründung der Maßnahmen ist die Angabe eines tragfähigen Tilgungsplans Teil der Ausnahmeregelung. Dabei muss die Tilgung frühzeitig beginnen und mittelfristig enden. Sie darf weder den laufenden Haushalt überfordern, noch dürfen Lasten für Haushalte in allzu ferner Zukunft entstehen.
Insbesondere mit Blick auf die kommunale Ebene müssen wir aber sicherstellen, dass sich momentan bestehende Verschuldungslagen, vor allem kommunale Kassenkredite, nicht weiter verschärfen und dass die Corona-Schulden von heute nicht die Altschulden von morgen werden.
Die Veranstaltung kann online angeschaut werden: https://www.youtube.com/watch?v=sltZT3EDdFM&feature=youtu.be