18. September 2020 Thema: Aktuelles Von Sarah Ryglewski
Nach der verheerenden Katastrophe in Moria konnte die SPD gegen den Widerstand in der Union durchsetzen, dass Deutschland jetzt über 1.500 Menschen aus Moria aufnimmt. Zusätzlich entsenden wir Material und Personal. Für die SPD ist klar: wir können nicht länger auf eine EU-weite Einigung warten. Die aufnahmebereiten Staaten müssen jetzt im Verbund handeln!
Die Zustände in dem für 3.000 Menschen angelegten Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos seit langem unerträglich. Jetzt haben rund 13.000 Menschen bei den verheerenden Bränden von Moria auch noch ihr letztes Dach über dem Kopf verloren. Frauen, Männer und Kinder leben buchstäblich auf der Straße. Jetzt ist konsequentes Handeln gefordert. Und dieses Handeln ist aus meiner Sicht auch möglich, denn die Anteilnahme der Menschen in Deutschland ist groß. Auch die Aufnahmebereitschaft unserer Bundesländer und Kommunen ist wegweisend. Bremen etwa hat schon früh Angebote zur Aufnahme Schutzsuchender gemacht. Es zeigt sich erneut, wieviel Menschlichkeit, Kraft und organisatorisches Know-how in unserer Gesellschaft steckt, Menschen in größter Not zu helfen.
Daher hat die SPD seit den ersten Meldungen über das Ausbrechen eines Feuers im Lager Moria gefordert, das Bundesinnenminister Seehofer von der CSU seine Blockadehaltung aufgibt, um den Opfern der Katastrophe Zuflucht in Deutschland zu gewähren. Schon jetzt ist dadurch viel Zeit verstrichen. Nach intensiven Verhandlungen mit der Union konnten wir als SPD erreichen, dass nun 1.553 Menschen aus 408 Familien, die durch Griechenland bereits als Schutzberechtigte anerkannt worden sind, aufgenommen werden. Dazu hat auch beigetragen, dass die SPD die Bundeskanzlerin geschlossen aufforderte, diese Angelegenheit endlich zur Chefsache zu erklären.
Zudem wird Deutschland bis zu 150 unbegleitete minderjährige Asylsuchende aufnehmen. Diese Entscheidung wurde bereits vergangene Woche getroffen und ist Teil einer gemeinsamen Initiative mit Frankreich und weiteren EU-Staaten. Die Bundesregierung hat in diesem Jahr bereits 574 Personen in Deutschland aufgenommen. Dabei handelt es sich um 178 unbegleitete oder behandlungsbedürftige Kinder mit ihren Kernfamilien. Die Gesamtzahl der Menschen, die Deutschland bisher von den griechischen Inseln übernimmt, beläuft sich auf etwa 2.750.
Auch darüber hinaus müssen wir Griechenland noch stärker unterstützen und entlasten, indem wir geflüchtete Menschen von den Inseln in anderen europäischen Staaten aufnehmen. Deutschland hat sich hierbei in großem Maße engagiert und bei den anderen europäischen Mitgliedstaaten dafür geworben, Geflüchtete Menschen aus Griechenland aufzunehmen. Das Ergebnis ist, dass sich bereits vor den Bränden in Moria in der europäischen Koalition der Menschlichkeit mittlerweile elf EU-Länder plus Norwegen und Serbien an der Aufnahme von Geflüchteten beteiligen. Deutschland hat die Aufnahme von knapp 1.000 Menschen, unbegleitete Minderjährige, behandlungsbedürftige Kindern und ihre Familien, zugesagt. In diesem Rahmen sind bislang 758 Geflüchtete aus Griechenland überstellt worden, 574 nach Deutschland, 184 in sechs weitere Länder. Der Prozess läuft leider nur sehr schleppend. Daran müssen wir arbeiten. Zudem hat die SPD sich dafür stark gemacht, in der aktuellen Situation nun nicht auf die schwerfällige Einigung zwischen mehreren europäischen Mitgliedstaaten zu warten, sondern unser zugesagtes Kontingent jetzt weiter zu erhöhen. Es ist gut, dass sich die Union auf unseren Druck hin endlich bewegt hat. Wir haben uns mit Erfolg dafür eingesetzt, dass unser Land einen eigenständigen Beitrag humanitärer Hilfe leistet und gleichzeitig die europäische Gemeinschaft nicht aus der Pflicht entlässt.
In Kürze will die EU-Kommission zudem einen Vorschlag für einen gemeinsamen EU-Asyl- und Migrationspakt vorstellen. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft sind die Migration und der Umgang mit Flüchtlingen die zentralen Zukunftsfragen, für die Europa überzeugende Antworten finden muss.
Die „europäische Lösung“ darf aber nicht zum Lippenbekenntnis verkommen, hinter dem man sich versteckt. Die letzten fünf Jahre haben gezeigt, dass es in der EU Länder gibt mit denen ein Konsens in Migrationsfragen unmöglich erscheint. Die EU-Partner, die grundsätzlich zu einer Aufnahme von Geflüchteten bereit sind, müssen gemeinsam nach Lösungen für eine gerechte Verteilung geflüchteter Menschen suchen und in einem nächsten Schritt Wege finden, um die Staaten, die sich dem verweigern, in die Pflicht zu nehmen.
Seit vielen Monaten ist die Bundesregierung zudem intensiv bemüht, den griechischen Behörden, der griechischen Regierung zu helfen. Bereits in der Nacht zum 11. September 2020 haben wir einen ersten THW-Konvoi auf den Weg nach Griechenland geschickt. Weitere sind gefolgt bzw. in Vorbereitung. Auch das DRK hilft bei den kurzfristigen Lieferungen von Sachmitteln. Zu unserer umfangreichen humanitären Hilfe vor Ort zählen etwa 1028 Zelte, 7000 Schlafsäcke, 1400 Feldbetten, 22 Sanitärcontainer, Decken und Schlafunterlagen. Es geht hier aber nicht um Zahlen, es geht um Menschen. Die Zustände in Griechenland müssen sich zwingend verbessern. Wir lassen nicht nach, bis wir menschenwürdige Bedingungen erreicht haben, die mit europäischem Recht und unseren Werten vereinbar sind.
Es gilt jetzt, in enger Kooperation mit der griechischen Regierung, schnelle humanitäre Hilfe zu leisten, um diese menschliche Tragödie vor Ort zu entschärfen. Dabei ist Eile geboten, um den obdachlosen Geflüchteten vor den bevorstehenden Herbststürmen eine sichere Zuflucht zu geben. Die professionellen Möglichkeiten des Technischen Hilfswerks und anderer Hilfsorganisationen, für deren Einsatz wir dankbar sind, müssen genutzt werden, um die griechischen Behörden bei der Sicherung und Versorgung der Menschen zu unterstützen. Auch die Europäische Union muss nun endlich zeigen, dass wir die griechischen Kommunen und die Bevölkerung vor Ort mit den steigenden Infrastrukturbedarfen und wirtschaftlichen Auswirkungen nicht allein lassen.
Es gilt jetzt, die Idee einer solidarischen europäischen Asylpolitik endlich gemeinsam in die Praxis umzusetzen. Das Schicksal von schutzsuchenden Menschen darf nicht weiter vom Beharren auf eine einstimmige Einigung aller Mitgliedsstaaten abhängen. Es kann nicht länger hingenommen werden, dass die Lösung der Verteilungsfrage von Geflüchteten blockiert wird und damit das Vertrauen in ein handlungsfähiges Europa mutwillig beschädigt wird.
Deutschland hat zurzeit die EU-Ratspräsidentschaft inne – und damit eine besondere Verantwortung. Wir werden die Ratspräsidentschaft nutzen müssen, um eine solidarische und gerechte, humanitäre und vernünftige europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik zu entwickeln. So wollen wir schnellstmöglich eine europäische Zuständigkeit zur Durchführung der Asylverfahren erreichen, die in europäischen Asylzentren durchgeführt werden. Zudem soll die EU künftig Städte und Kommunen direkt finanziell unterstützen, die sich bereit erklären, Geflüchtete aufzunehmen.